Ein Jahr danach

Foto: Angela Troisi, Quelle: Katharina Klöber

Roter Kimono und freundliches Lächeln: Angela Troisi verteilt geduldig Prospekte und informiert interessierte Messebesucher. Auf den ersten Blick erinnert nichts an den 11. März 2011. Als damals, vor genau einem Jahr, in Japan die Erde bebte, und damit einen Tsunami und den Gau in Fukushima auslöste, war die ITB Berlin wie jedes Jahr Anfang März in vollem Gange; Japan war wie immer mit einem Messestand vertreten. Die Touristiker machten ihre Arbeit – bis zu jenem Donnerstag, der den Nordosten Japans in eine apokalyptische Landschaft verwandelte.

„Als sich die Nachricht von dem Unglück bei uns herumsprach, haben wir unseren Ausstellern erlaubt zu gehen“, erinnert sich Angela Troisi von der Japanischen Fremdenverkehrszentrale in Frankfurt. „Es war schon chaotisch, weil es unterschiedliche Pressemeldungen gab und niemand wusste, was stimmt und was nicht.“ Troisi und ihr Team sagten alle Veranstaltungen und Termine auf der Messe ab. „Wir sind mit dem Stand trotzdem bis zum Ende der Messe geblieben“, sagt sie, „aber wir haben die Beleuchtung ausgeschaltet. Und der Stand war leer, weil die Kollegen aus Japan abgereist waren.“

Foto: Hideaki Nakazawa, Quelle: Katharina Klöber

Wie die junge Frau blieb auch ihr Chef, Hideaki Nakazawa, Direktor der Fremdenverkehrszentrale, bis zum Ende der Messe. „Viele Besucher haben uns ihr Beileid und Mitgefühl ausgedrückt“, sagt er. „Das war sehr nett.“ Er selbst habe sein Heimatland seit der Katastrophe zum ersten Mal im vergangenen September besucht. „Meine Mutter wohnt in Yokohama. Das ist zum Glück mehr als 280 Kilometer von Fukushima entfernt“, sagt Nakazawa. „In Tokio war die Stimmung schon gedrückt und es war dunkler als sonst“, erzählt er. „Normalerweise ist alles hell beleuchtet, aber der Strom musste genau eingeteilt werden.“ Mittlerweile sei es in der Hauptstadt fast wie früher. „Natürlich werden wir uns immer an diese Katastrophe erinnern“, sagt Nakazawa. „Beim Abschlussfest auf der ITB gedenken wir zum Jahrestag der Opfer. Gleichzeitig möchten wir uns für die große Anteilnahme bedanken.“

Er hofft, dass 2012 wieder mehr Touristen ins Land kommen. „2010 hatten wir 124.000 Gäste aus Deutschland; im vergangenen Jahr waren es 35 Prozent weniger“, sagt Nakazawa. Geschäfts- und Individualreisen würden zwar weiterhin gebucht, aber Pauschalreisen liefen schlecht, berichtet Angela Troisi. „Pauschaltouristen sind besonders ängstlich“, sagt sie. „Dabei befinden sich die Haupttourismusrouten genau entgegengesetzt von Fukushima, im Süden des Landes.“ Hideaki Nakazawa gibt sich optimistisch: „Wir wollen dieses Jahr wieder über 100.000 kommen, vielleicht werden es ja 130.000 Besucher. Die deutsche Wirtschaft hat gute Laune.“

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Japan schließt seinen Stand

Quelle: Isabel Schoelen

Es gibt keine Glückskekse und Tee an diesem Vormittag am Stand von Japan auf der ITB Berlin 2011. Dort, wo gestern noch munter dem Alltag nachgegangen wurde, wird heute emsig zusammengepackt. Der Ernst der Lage ist den Japanern ins Gesicht geschrieben. Auf der Veranstaltungstafel kleben gelbe Zettel auf denen handschriftlich „entfällt“ steht. Die Besucher grabschen nach den letzten Tüten, die der Stand unter die Menge bringt. Man könne keine Informationen geben, sagt die perfekt Deutsch sprechende Mitarbeiterin. Der Manager des Standes sitzt ein wenig benommen an einem Tisch in der Mitte der Tische, eine Mitarbeiterin fragt ihn, ob er bereit wäre, einige Fragen zu beantworten. Die Mitarbeiterin kommt zurück und sagt, er sei beschäftigt und habe leider keine Zeit. Fest steht, dass die Japan Tourism Agency beschlossen hat, den Stand auf der Messe bis 11.30 Uhr zu schließen. Zurück bleiben vier Mitarbeiter des japanischen Teams, die die Stellung halten sollen. Was die Japaner in ihrer Heimat erwartet, ist ungewiss.

Allgemein ITB 2011

Japanische Gelassenheit am Stand – Verzweiflung und Zerstörung im eigenen Land

Quelle: Isabel Schoelen.

Als die Veranstaltung „Haiti ein Jahr nach dem Erdbeben“ in Halle 4.1. beginnt, nimmt die Messe wie gewohnt ihren Lauf: Am Stand von Burundi wird getanzt und getrommelt, Fachbesucher informieren sich in den Hallen, man verhandelt und trinkt Kaffee. Dabei wird in diesem Moment Japan von einer Naturkatastrophe heimgesucht. Haiti wurde durch das Erdbeben am 12. Januar 2010 zurück in die Steinzeit katapultiert.

Die genauen Ausmaße des bisher schwersten Erdbebens in der Geschichte Japans mit der Stärke 8.9 sind noch nicht bekannt, doch es bringt Japan, ein Land des Fortschritts und der Strebsamkeit zum Stillstand. Nichts geht mehr an den Flughäfen im Norden, das Telefonnetz ist zusammengebrochen und auch der Strom ist ausgefallen. Die Rede ist von bis zu zehn Meter hohen Wellen, die die Gegend rund um die Stadt Sendai verwüsten.

Ein Wunder, dass die Vertreter am japanischen Stand in Halle 26 dabei so gelassen und ruhig bleiben. Professionell und routiniert lächelt und scherzt man – und geht seinem Business nach. Das Mitgefühl des Teams für ihre Landsleute ist minimal. Man entschuldigt sich stattdessen: „What can we do?“ „We are very sorry, but”, der freundliche Japaner druckst ein wenig herum, „it is our duty promoting Japan“.  Viel wissen die japanischen Repräsentanten noch nicht über die Katastrophe in ihrer Heimat, tausende Kilometer  entfernt vom geschäftigen Messestand auf der ITB Berlin 2011.

Die zurückhaltende Dame vom Infocounter der Region Mie lässt sich wenig Emotionen entlocken, sie komme ja eh aus dem Süden und veranschaulicht die Distanz zum betroffenen Gebiet auf einer Landkarte. Weitere  Auskünfte möchte sie nicht erteilen, da dies ja ein negatives Licht auf Japan werfen könnte. Keiner vom Messestand beklagt offenbar Angehörige unter den Opfern. Die Repräsentanten geben sich erstaunlich optimistisch in dieser Situation. Japan, ein Land mit 127 Millionen Einwohnern habe die Erfahrung und das Wissen, die Folgen der Naturkatastrophe zu meistern. Nur aus der guten Idee, den Vulkantourismus weiter auszubauen, werde wohl vorerst nichts, sagt die scheinbar einzige Betroffene: Mie Schneider-Yamato.  Sie aber hat gut reden: Sie lebt in der Schweiz.

Allgemein ITB 2011