Liechtenstein ist mehr als eine Steueroase. Das wollen die Liechtensteiner auf der ITB Berlin beweisen. Nicole Friesenbichler war im Sommer ein Monat im sechstkleinsten Land der Welt und hat den Stand auf der ITB unter die Lupe genommen.
Das Herz von Liechtenstein ist ihr Fürst: Hans-Adam II war zwar noch nie auf der ITB Berlin vor Ort, dafür hatten Messebesucher dieses Jahr die Möglichkeit, sich selbst einmal als Staatsoberhaupt ablichten zu lassen. „Alpen und Monarchie“ ruft mir Pawel aus Polen auf die Frage, was er mit Liechtenstein verbindet, vom roten Samtstuhl aus zu. Dann richtet er sich nochmal die Krone und lächelt in die Kamera. Klick – das schrille Geräusch des Auslösers ertönt. Hinter der Kamera ist ein Bildschirm angebracht, wo Pawel noch seine E-Mailadresse eingibt. So wird ihm das Erinnerungsfoto vom Liechtenstein-Stand auf der ITB Berlin nicht nur in die Hand gedrückt, sondern auch gleich als digitales Andenken geschickt.
Nicht nur auf der Landkarte, auch auf der ITB ist Liechtenstein zwischen Österreich und der Schweiz zu finden: Mit einem für die Kleinheit des Landes außergewöhnlich großen Stand in Halle 17 präsentiert sich das 37.000-Einwohner-Land auf der größten Tourismusmesse der Welt. Zentrales Element ist immer der Fürst mit der Krone. Nicht nur anhand des aufgebauten Fotostudios, sondern auch auf allen Merchandising-Artikeln ist er präsent. „Das ist unser USP“, erklärt Martina Hoch, Front Office-Leiterin von Liechtenstein Marketing. „Wir sind die einzige Monarchie weltweit, die noch einen Fürst hat. Das hebt uns von jedem anderen Land ab.“
Gastfreundlich: Snacks und Getränke am Stand
Als gesellig und gastfreundlich präsentiert das Team von Liechtenstein Marketing ihre Landsleute. Am Stand schenken sie Wein aus der Hofkellerei des Fürsten aus, verkosten Käse und selbstgebrannten Liechtensteiner Whiskey. Im Mittelpunkt steht auch das Schloss Vaduz, in dem die Liechtensteiner Fürstenfamilie wohnt. Außer zu besonderen Anlässen wie offiziellen Empfängen kann das Schloss daher nicht besucht werden. Eine Ausnahme stellt der Staatsfeiertag am 15. August dar, an dem jährlich tausende Besucher aus der ganzen Welt zum Fürstenfest nach Vaduz strömen. Der Fürst lädt dabei höchstpersönlich zum Apero – so nennen die Liechtensteiner in ihrem Vorarlberger-Schweizerischem Dialekt einen Aperitif, in den Rosengarten, schenkt Bier aus, schüttelt Hände und steht bereitwillig für Selfies zur Verfügung. So ist es nicht verwunderlich, dass die Liechtensteiner sehr stolz auf ihren Fürsten sind und manch treue Anhänger ihren Nationalstolz sogar auf ihren Autos in Form eines Aufklebers mit der Aufschrift „Für Gott, Fürst und Vaterland“ zeigen.
Vom Skifahren bis zum Wandern
Dennoch sind meist Steuerparadies, Berge und Schweiz die Begriffe, die am häufigsten mit dem sechstkleinsten Land der Welt in Verbindung gebracht werden. „Liechtenstein wird oft mit ‚Finanzplatz‘ verbunden, aber man kennt es nicht als Reise- und Tourismusland“, schildert Martina Hoch vom Tourismusverband die Problematik. Den ITB-Besuchern will man deshalb vermitteln, dass es jede Menge Freizeit- und Urlaubsangebote in Liechtenstein gibt – vom Wandern im Sommer bis zum Skifahren im Winter. Bereits zum 8. Mal ist Liechtenstein Marketing auf der größten Reisemesse der Welt mit einem eigenen Stand vertreten, davor war man gemeinsam mit dem Schweiz Tourismus als Partner aufgetreten. „Das erste Mal mit einem eigenen Stand waren wir 2008 hier – in dem Jahr der Liechtensteiner Steueraffäre“, erinnert sich Hoch zurück. „Weil wir Angst hatten, dass etwas passiert, hatten wir damals sogar Bodyguards beim Stand.“ Natürlich habe es den ein oder anderen blöden Spruch dazu gegeben, insgesamt sei die Messe aber positiv für Liechtenstein verlaufen.
Vorort: Liechtensteins Botschafter
Mittlerweile kämen etwa 150 Fach- und noch viel mehr Privatbesucher zum Liechtenstein Stand. Außerdem findet laut Hoch jedes Jahr eine Pressekonferenz beim Stand statt, um Journalisten über die Neuheiten aus dem Land zu informieren und eventuell auch zu einer individuellen Pressereise einzuladen. Jedes Mal dabei: Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, der liechtensteinische Botschafter in Berlin. Da Liechtenstein Marketing aber sogar mit „fürstlichen Momenten“ wirbt, scheint es verwunderlich, dass der Fürst selbst noch nie auf der ITB vor Ort war. „Der Fürst kann natürlich nicht überall sein“, erklärt Hoch. „Aber vielleicht machen wir das irgendwann einmal. Das wäre natürlich ein Highlight.“
Mit kulturellen Highlights wartet Liechtenstein schon jetzt auf: Im Rahmen des Liechtensteiner Kulturjahres wirbt Liechtenstein Marketing für die Hauptstadt Vaduz unter anderem mit „Kultur mit Großstadtflair.“ Dass Vaduz mit rund 5.000 Einwohnern wohl die kleinste Hauptstadt Europas und damit alles andere als eine Großstadt ist, sollte man in diesem Zusammenhang jedoch wissen. An einem Sonntag Nachmittag kann das „Städtle“ schon einmal wie ausgestorben wirken. „Das ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint“, sagt Hoch schmunzelnd.
Frankencrash als Herausforderung
2015 wird wohl auch ein herausforderndes Tourismus-Jahr für Liechtenstein: Dass der Frankenkurs in der Schweiz Anfang des Jahres so in die Höhe geschnellt ist, sei „im ersten Moment natürlich ein Schock“ für Liechtenstein gewesen. Man müsse jetzt abwarten, „wie sich das ganze entwickelt.“ „Wir sind nach wie vor günstiger als die Schweiz“, betont Hoch. Außerdem gäbe es die Möglichkeit, zum Tageskurs in Euro zu bezahlen. Dennoch räumt sie ein: „Es gibt sicher einige, die abspringen, aber viele würden die Qualität und Freundlichkeit schätzen.“ Zudem will man nicht nur Deutsche, Österreicher und Schweizer ansprechen. Auch Urlauber aus den Benelux-Staaten seien für Liechtenstein interessant.
(fri)
Wusstest du, dass…
… Liechtenstein zu einem der letzten Länder gehört, in denen die Todesstrafe abgeschafft wurde, nämlich 1987? Das letzte Todesurteil im Land wurde im Jahre 1978 ausgesprochen, diese wurde jedoch nie vollzogen. Vor Gericht stand ein Mann, der seine Frau und seine zwei Kinder erschossen hatte. Da in Liechtenstein damals noch das österreichische Strafrecht aus dem Jahre 1850 galt, blieb dem Gericht kein anderer Ausweg, als die Todesstrafe zu verhängen, während diese in Österreich schon längst abgeschafft war. Ein Jahr später wurde dieses Todesurteil schließlich in eine Haftstrafe umgewandelt.
… Käseknöpfle mit saurem Käse eine Spezialität in Liechtenstein sind? Dabei werden Spätzle, abgeschmälzte Zwiebeln und verschiedene Käsesorten geschichtet. Dazu serviert werden Blattsalat, Kartoffelsalat oder Apfelmus.
… Fürst Hans Adam II. alle Liechtensteiner anlässlich ihres 18. Geburtstags zu einer Jungbürgerfeier aufs Schloss Vaduz einlädt? Dort gibt es einen Apero und der Fürst mischt sich unter die Jugendlichen.
… das Fürstentum Liechtenstein fast so viele Beschäftigte hat wie Pendler? 2014 waren 48,7 Prozent der Beschäftigten in Liechtenstein Pendler. Während die Zahl der Pendler aus der Schweiz auf 7338 gestiegen ist, stagnierte die Zahl der Pendler aus Österreich und liegt derzeit bei 7258 Personen.